Wissen ist Macht – Nichtwissen ist Weisheit

Vor nicht allzu langer Zeit hielt mich ein Gedankengang gefangen, der seinen Ursprung in Instagram hatte. Hier hatte ein „Coach“ ratschlagend einer jungen Frau geantwortet, dass sie nur mit „sehr viel Leid“ aus ihrer geschilderten Situation heraus käme. Die Worte waren endgültig formuliert; es ist so; kein Wenn und Aber, Punkt.
„Ist es gut, eine endgültige Aussage zu treffen?“ ging es mir durch den Kopf.

Meine Ansicht der Dinge ist offen. Sieh dir das Leben an. Betrachte das Wissen dazu. Was glaubst du, wie groß ist das Wissen über das Leben? Die Frage ist zu komplex? Lass sie uns begrenzen, auf den Menschen, auf dich. Wieviel Wissen existiert zu dir als Mensch?

in Beispiel: Warst du schon einmal krank? Ja, natürlich, wirst du sagen. Dann hast du mit großer Wahrscheinlichkeit bereits einen Arzt aufgesucht. Er hat dich kurz gefragt, wo dein „Schuh drückt“. Wenn du geantwortet hast: „Ich habe starke Verspannungen!“ dann hat er wahrscheinlich deinen Nacken berührt und gesagt: „Ja, das spürt man.“ Wenn du sagtest: „Ich habe Halsweh!“ dann hat er mit einem Holzspatel deine Zunge nach unten gedrückt und mit einer kleinen Lampe in deinen Rachen geleuchtet und gesagt: „Ja, das sieht man.“ Und nach der Untersuchung hat er dir eine physikalisch therapeutische Anwendung bzw. ein Medikament verschrieben. Beides Dinge, die die Symptome beseitigen können, aber nicht die Ursache beheben. Die Verspannung kehrt wieder zurück; die Erkältung mindestens einmal jährlich auch.

Der Körper wird in seine Einzelteile zerlegt; Zusammenhänge werden regelhaft ausgeblendet oder sind schlichtweg nicht bekannt. Erst kürzlich wurde herausgefunden, dass sich unser „Bauchgehirn“  mit dem „Kopf-Gehirn“ unterhält, dass ein Auslöser im Bauchgehirn eine Reaktion auslöst und dieser Impuls zeitgleich an das Kopf-Gehirn gesendet und dort verarbeitet wird. Doch unklar ist wie, auf welchem Wege, die sofortige Übertragung stattfindet zwischen Bauch und Kopf? Gedankenübertragung?

Ein anderes Wunder: Ist dir bekannt, dass der erwachsene Mensch von ca. 100 Billionen Mikroorganismen besiedelt ist? Also von zehn Mal mehr “fremden” Zellen als unsere körpereigenen Vielzeller-Zellen! Wahnsinn, oder?

Jetzt stelle dir mal vor, du hast eine Magen-Darm Entzündung und nimmst Antibiotika ein. Kannst du dir ausmalen, was da los ist unter den Mikroorganismen, und dass da nicht nur die vermeintlich schlechten sterben, sondern auch unzählig viele, die nützliche Funktionen ausführen; wahrscheinlich sogar die denkenden Zellen des Bauchgehirns?

Doch die westliche Medizin ist nicht das heutige Kernthema über das ich hier schreibe. Es geht um das Wissen. Was weißt du über dich? Über deinen Körper? Über deine Psyche? Was ist über den Menschen bekannt? Wenn wir hier nachforschen, ist es erschreckend wenig. Das wollte ich mit obigen Beispielen verdeutlichen.

Wissen ist gut und unentbehrlich. Ohne Wissen fehlt jegliche Grundlage zum sinnvollen Handeln. Doch du solltest dich davor hüten zu denken, dass du am Ende des Weges bist und alles weißt. Dass du die Weisheit „gefressen“ hast. Denn Wissen ist nicht Weisheit.

Weisheit ist Nichtwissen.

Warum ist das so? Weil jeder Mensch ein Individuum ist und jedes Individuum ein Teil des Ganzen. Weil das Ganze aus Milliarden von menschlichen Gedanken und weiteren Trillionen Gefühlsschwingungen anderer lebender Materie besteht. Stelle dir vor, dieses Ganze, also alles Lebende, entspräche 100 Prozent. Dann würde der einzelne Mensch eine Zahl mit unheimlich vielen Nullen hinter dem Komma abbilden, also etwa 0,000000000000000000000000000000000000000000000000000001 Prozent des Ganzen. Und die Zahl, die das Wissen über den Menschen abbildet ist noch geringer, da unser Wissen begrenzt ist.

Es ist offensichtlich: wir wissen sehr sehr wenig. Erst wenn du das begreifst, bist du an einem Punkt, der dich offener macht für das, was nicht greifbar ist. Und du solltest offener sein, da der Mensch in seiner Komplexität nicht greifbar ist.  Da das Ganze nicht greifbar ist. Da das Göttliche nicht greifbar ist.

Wissen ist immens wichtig. Doch es dient nur als Basis. Handeln solltest du aus dir heraus, aus Intuition, mit dem Gefühl des allumfassenden Göttlichen. Wenn du dich nur an das Wissen hältst, dann übersiehst du, dass wir emotionale Wesen in ständiger, fortwährender Entwicklung sind. Dann lebst du in der Vergangenheit. Dann entsteht keine Lösung für die neuen Probleme der heutigen Zeit.

Lasse dein Wissen mit deinem Unterbewusstsein verschmelzen und handele daraus. Betrachte das Leben, den anderen Menschen, immer mit Kinderaugen, immer neu, immer individuell, immer liebevoll. Dann kann sich das Wahre bilden, dann kann Kontakt entstehen, dann passen sich die Schwingungen des einen Menschen an den des anderen an. Harmonie entsteht und hilfreiche Kommunikation ist möglich.

Glaube nie, dass du alles gelernt hast. Das ist Stillstand. Dann bist du am Ende: Lege dich hin und ruhe dich aus. Du wirst nicht mehr gebraucht.

Ich weiß, dass ich nichts weiß. Ja, der Satz von Sokrates hat endlose Gültigkeit.

Ich schließe den Kreis. Wissen ist Macht. Wissen ist unentbehrlich. Aber reines Wissen, das nicht human angewandt wird, ist tote Materie. Nutzt niemandem. Außerdem ist unser Wissen über all die Dinge viel zu gering, als dass wir uns darauf etwas einbilden sollten. Es gilt deshalb, dieses Wissen fortwährend weiter zu entwickeln. Das gelingt nur, wenn wir es als Grundstock nutzen, um darauf neue Türme aufzubauen.

Ich erwähnte zu Beginn den Ratschlag an die junge Frau. „Du kommst nur mit sehr viel Leid aus der Situation heraus!“ hatte der Coach gesagt. Das mag im Einzelfall stimmen. Doch endgültige Aussagen gibt es nicht. Betrachte deshalb nichts als endgültig. Nichts!
Alles ist offen!
Es genügt bereits das Hinzufügen eines winzigen Wortes, um der Endgültigkeit die Offenheit zurück zu geben: „Wahrscheinlich“ wirst du viel leiden… oder abschwächender „Vielleicht“ wirst du viel leiden….  


Wie siehst du das?
Denkst du: „Wenn ich weiß, dass die Frau leiden wird, dann muss ich es ihr auch klar sagen, ohne Wenn und Aber.“
Oder denkst du, es ist besser, eine Türe offen zu lassen? So wie ich es beschrieb?

Ich freue mich auf deinen Kommentar.