Halten die negativen Aussagen aktueller Studien über die Nutzung von sozialen Medien den Erkenntnisse der positiven Psychologie stand? Wie die folgende Ausführung zeigt kann sich die Nutzung von sozialen Medien, zum Beispiel von Instagram, auch positiv auf das persönliche Wohlbefinden und somit auf das Glück auswirken.
Die Nutzung sozialer Medien ist in den letzten Jahren rasant gewachsen, so dass die vorhandenen Studien relativ neu sind. Sind die Folgen des Neuen (der Nutzung sozialer Medien) noch nicht bekannt, so kann dies primär Angst vor dem Neuen auslösen und auf Ablehnung stoßen. Dies könnte ein Grund sein, warum die vorhandenen Studien vorwiegend auf die Gefahren sozialer Medien eingehen.
Hat sich das Neue etabliert ist es meist nicht mehr wegzudenken und rückblickend werden die zu Beginn genannten Gefahren verschwindend klein. Bereits Schopenhauer sagte sinngemäß hierzu: „Ein neuer Gedanke wird zuerst verlacht, dann bekämpft, bis er nach längerer Zeit als selbstverständlich gilt.”
Positive Emotionen sind nicht nur wichtig weil sie sich gut anfühlen. Sie stärken auch unser Wohlbefinden und unsere körperliche und psychische Gesundheit. Eine grundlegende Theorie der Positiven Psychologie, die die Relevanz positiver Emotionen besonders verdeutlicht, ist die „Broaden-and-build Theorie“ von Barbara Fredrickson. Die Theorie geht davon aus, dass eine durch positive Emotionen hervorgerufene Erweiterung des Denk- und Handlungsvermögens über einen Aufbau von Ressourcen zu einer stabilen Gesundheit und einem gestärkten Wohlbefinden führt. Zusätzlich verstärken sich positive Emotionen gegenseitig und stoßen so eine aufwärtsgerichtete Spirale an, die das Wohlbefinden des Individuums steigert.
Um die positive Energie zu steigern und eine Aufwärtsspirale anzustoßen, gibt es zwei Wege:
- Zum einen kann die bewusste Wahrnehmung von bereits bestehenden positiven Aspekten des Lebens gefördert werden. Durch eine achtsame Stärkung der Wahrnehmung positiver Momente im täglichen Erleben kann das generelle Bewusstsein für solche Momente geschaffen werden.
- Der zweite Weg bezieht sich auf die Integration glücklich machender Handlungen.
Zu Punkt 1 (achtsame Stärkung der Wahrnehmung positiver Momente):
Bei Nutzung von Instagram im Bereich positiver Feeds ist der Fokus permanent auf das Positive ausgerichtet. Durch regelmäßige Wiederholung erfolgt eine achtsame Stärkung der Wahrnehmung positiver Momente. Dies insbesondere deshalb, da der Postende auch die Beiträge anderer Nutzer liest. Instagram blendet dazu ähnliche Beiträge ein. Dadurch ist eine Reflektion der eigenen Gedanken anhand anderer Ansichten möglich: das eigene Weltbild wird bekräftigt oder in Frage gestellt, wodurch eine Erweiterung der eigenen Gedankenwelt stattfindet.
Der Lesende sieht, dass es viele gleich denkende Menschen gibt, die ebenso ein positives Weltbild haben. Dadurch kann ein generelles Bewusstsein für solche positiven Momente entstehen.
Hinzu kommt, dass die Nutzer, die die Beiträge des Postenden lesen, Likes und Kommentare vergeben können. Und dies tun sie häufig. Im Gegensatz zu Facebook sind nur positive Likes möglich. Die Kommentare sind dagegen offen; bestehen im Normalfall aber aus wohlwollenden Bemerkungen.
Durch die dadurch entstehende Festigung des positiven Weltbildes und die Horizonterweiterung durch die Gedanken der Posts der anderen Menschen ist es möglich, dass eine Aufwärtsspirale im Sinne der Broaden-and-built Theorie angestoßen wird.
Eine Instagram Nutzerin schreibt hierzu:
“Ich bedanke mich herzlichst an die 300 Menschen, die mir folgen und meine Aktivität hier unterstützen. Es macht mir eine Riesenfreude, wenn ich jeden Tag sehe, welche tollen Feedbacks ich erhalte und wieviele Menschen mich tagtäglich darin motivieren, meinen Weg zu gehen. Eine Stimme, die gehört wird und ein Echo das zurück hallt. Ich liebe es. Vielen vielen Dank für eure Unterstützung und Teilnahme auf meinem Profil. Ich freue mich über alle Besucher und neuen Gesichter. Ihr seid herzlich willkommen.”
Zu Punkt 2 (Integration glücklich machender Handlungen):
Als glücklich machende Handlungen können „zufällige gute Taten“ betrachtet werden. Im Folgenden wird erläutert, warum dies so ist:
“Zufällige gute Taten” ist ein Tool aus meinem Fundus als Happiness Trainer für die Unterstützung von Glückssuchenden und wird wie folgt beschrieben:
„Der Klient soll über den Zeitraum einer Woche mindestens einmal täglich einem Fremden etwas Gutes tun.“
Die positiven Auswirkungen dafür sind wissenschaftlich belegt:
„Fremden Menschen mit kleinen Dingen etwas Gutes zu tun, ist eine mächtige Übung, um das Glückserleben zu steigern.“ [Buchanan und Bardi 2010]
„Auch Kinder berichteten nach einer Reihe guter Taten von mehr Wohlbefinden. Gleichzeitig nahm ihre Beliebtheit unter Gleichaltrigen zu.“ [Layos und Lensen, 2012]
„Sogar sozial ängstliche Personen konnten in ihrem Wohlbefinden stark von dieser Übung profitieren.“ [Alden & Trew 2013]
„Spannend ist zudem die Erkenntnis, dass das Beobachten einer guten Tat ein erhebendes Gefühl auslöst, das wiederum die Wahrscheinlichkeit erhöht, auch als Beobachter eine gute Tat zu tun.“ [ Schnall, Roper & Fessler 2010]
Bei Betrachtung von Instagram in Analogie zu diesen Fakten sind
folgende Ähnlichkeiten gegeben: Das Posten von Beiträgen auf Instagram
erfolgt regelmäßig. Viele Nutzer tun dies täglich; meistens jedoch
mehrmals wöchentlich. Die Nutzer, die die Posts lesen, sind mehrheitlich
„fremde Menschen“, d.h. sie sind dem Postenden nicht persönlich
bekannt.
Da auf diesen speziellen Bereich von Instagram die
Bedingungen für die förderlichen Auswirkungen von „zufälligen guten
Taten“ weitgehend zutreffen, kann daraus abgeleitet werden, dass auf
dieses regelmäßige Posten positiver Inhalte die wissenschaftlich
erwiesenen förderlichen Erkenntnisse Anwendung finden.
Im Sinne der Broaden-and-build Theorie kann somit ein positiver nach oben gerichteter Kreislauf entstehen. Derjenige, der etwas Neues postet freut sich über die Likes und Kommentare; fühlt sich bestätigt weiter zu machen; durchforstet sein Inneres; reflektiert, um wieder einen neuen Text zu schreiben und interessante Fotos zu veröffentlichen. Seine Beiträge können inspirieren, Liebe und Freude verbreiten; wodurch wiederum Zufriedenheit und Dankbarkeit bei den Lesenden entsteht. Der Postende bekommt neue Abonnenten und freut sich zusätzlich. Er lobt andere Nutzer und ist glücklich darüber, dass diese sich über sein Like oder seinen Kommentar freuen. Eine Spirale nach oben entsteht.
Folgender Instagram Post einer Nutzerin bestätigt diese Schlussfolgerung: “Wie schön ist es doch, sich gegenseitig zu inspirieren! Seit ich auf Instagram bin, lese ich die Werke so vieler und unterschiedlicher Poeten und Wortakrobaten. Ich bin fasziniert von dieser Vielfalt, von dieser explosiven literarischen Schöpferkraft! … Danke dafür!”
Das Ergebnis meiner Analyse ist, wie auch viele andere Studienergebnisse und Statistiken, jedoch kritisch zu betrachten. Die Aussagen gelten grundsätzlich im angegebenen Kontext (homogene Gruppe, regelmäßiges Lesen und/oder Posten von Artikeln mit positiven Hashtags) und sind damit nicht pauschal allgemein gültig.
Die Tatsache, dass sich auf Instagram interessenspezifische Gruppen bilden, durchbricht deshalb den zu Grunde gelegten Kontext. Ich konnte feststellen, dass zum Beispiel aktuell psychisch schwache Menschen zwar positive Posts lesen und liken, aber so gut wie nie dem Postenden folgen. D.h. sie bleiben in ihrer homogenen Gruppe. Dadurch überwiegen in diesem Bereich gleichgesinnte Gedanken und positive Posts sind eher die Seltenheit, wodurch die Durchbrechung des negativen Kreislaufes schwieriger wird.
Die Nutzung von Instagram kann somit sowohl positive als auch negative Auswirkungen haben.
Wie ist Deine Erfahrung beim Umgang mit sozialen Medien? Siehst Du es eher negativ, stresst es dich, dass du in Instagram bist oder bringt es dir Vorteile, positive Gefühle?
Schreibe gerne einen Kommentar.
Eine kleine Auswahl an Studien:
–
Kinder Medien Studie
– DAK / Zentrum für Suchtfragen Studie (pdf)
– StatusofMind Studie